Disziplin

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Böse, geradezu angewidert und verächtlich blickte ich daheim in Richtung unseres neuen Steppers.
Tagelang.
Wochenlang.

Ja, irgendwie wollte ich etwas für meine Fitness, für meine Gesundheit, tun, aber sogleich fiel mir auch immer das berühmte "Aber" ein: "Aber, ich fange erst morgen an zu trainieren."

Und am nächsten Tag sagte ich dann abermals "morgen". Und so weiter.

Nach Wochen der Aufschieberitis (und einem Gesundheitscheck inklusive Belastungs-EKG) schlug ich – ärztlich freigegeben für mehr Bewegung –, den berühmten Weg der kleinen Schritte ein. – So wie ein kleines Kind, welches lernen möchte zu laufen. Das Kind beginnt auch mit dem ersten Schritt.

Also schwang ich mich auf und zog mein zusammengestöpseltes Turngewand an. Zu meiner Überraschung ist mir dies sturzfrei gelungen.

Geradezu sportlich leichtfüßig und ziemlich motiviert tänzelte ich in Richtung des grau-schwarzen, bislang bedrohlich wirkenden, jungfräulich-sperrigen Steppers. Draufgestiegen bin ich nicht!

Ich wollte es eben langsam angehen (schließlich wird das oft empfohlen) und es nicht gleich am ersten Tag übertreiben.

Also zog ich mein Turngewand wieder aus und schmiss mich in routinierter Weise auf die Fernseh-Couch. Ich war zufrieden, die ersten Schritte in Richtung Fitness hinter mich gebracht zu haben. Noch dazu verletzungsfrei.

Tags darauf zog ich mir abermals mein Turngewand an (das Leibchen diesmal richtig rum), tänzelte wieder in Richtung Stepper, und diesmal stellte ich mich bereits auf die Pedale drauf! Jawoll, auf beide!

In meinem Geiste erklangen eine Fanfare und ein Tusch; die Cheerleaderinnen jubelten und bewarfen mich mit Konfetti.

Nach einer Weile des brillenlosen Suchens fand ich am Trainingsgerät – für mich doch einigermaßen überraschend – die Einschalttaste (diese funktionierte auf Anhieb), und ich war wirklich sehr nah dran, meinen allerersten Stepper-Schritt zu wagen.

Doch just da klingelte mein Mobiltelefon – also sofortiger Trainingsabbruch. Und kein Comeback an diesem Tag, nach dem Telefonat.

Das Klingeln des Handys interpretierte ich als eindeutiges Zeichen, lieber doch noch nicht zu trainieren. Wer weiß, was sonst alles passiert wäre.

Um mich etwas zu erholen, pausierte ich am dritten Tag. Und am vierten auch.

Am fünften Tag trieb mich dann die Neugier an. Da wollte ich nämlich wissen, wie viele Kilokalorien (Kalorien; kcal) ich bei einer dreiminütigen Trainingseinheit verbrennen würde. Der Kalorienverbrauch ist bekanntlich von Mensch zu Mensch verschieden.

Also steppte ich am fünften Tag ganze drei endlose Minuten lang, doch mein, am Display angezeigter, Kalorienverbrauch erzürnte mich. Zunächst dachte ich, das neue Gerät ist kaputt.

Sogleich recherchierte ich im Internet zum Thema Kalorienverbrauch und beschloss, von nun an pro Trainingseinheit einhundert (!) Kalorien verbrennen zu wollen. Ich weiß: Wahnsinn! Einfach irre! 100 Kalorien pro Trainingseinheit. Aber Hallo!

In meinem Geiste tauchte das Thema Testament auf. Ich unterrichtete meine Frau von meinem waghalsigen Trainings-Experiment und versicherte ihr mehrfach, dass ich sie liebe. Ich dankte ihr für die wunderschönen gemeinsamen Jahre und erwähnte eine Urnenbestattung, die mir für mich vorschwebte.

Schon morgen sollte es mit meinem Training, das mich irgendwie an "Rocky Balboa" vor seinem großen Box-Comeback erinnerte, losgehen...

Um mein 100-Kalorien-Ziel zu erreichen, quälte ich mich am nächsten Tag tatsächlich sage und schreibe zehn Minuten lang! Nach jeder gesteppten, hart trainierten Minute wollte ich zwar aufgeben und das Gerät verschenken oder verschrotten lassen, aber das wäre mir nicht gut bekommen, weil es meine Frau gekauft hat.

Jedenfalls war ich nach meinem Trainingsmarathon wahnsinnig stolz auf mich und heilfroh, überlebt zu haben. Zwecks Belohnung führte ich mir, in Form eines kühlen Bierchens, gleich wieder weit mehr als 100 Kalorien zu...

Nach dem letzten Tropfen fasste ich den Entschluss, ab sofort zumindest zweimal pro Woche jeweils zehn Minuten lang zu trainieren.
Gesagt, getan.

Als es einmal besonders gut lief, hängte ich spaßhalber eine elfte Minute dran. Bald waren es 15 Minuten. Mit der Zeit sogar 20 und etwas mehr.

Das brachte mit sich, dass ich pro Trainingseinheit nun mehr als 200 (!) Kalorien verbrannte. Und aus zwei Trainingstagen pro Woche wurden drei, vier, fünf... Somit wurde das Training irgendwie zur Gewohnheit!

In diversen Gesprächsrunden haben mir erfolgreiche Kampfsportler immer wieder versichert, dass Disziplin – Selbstdisziplin – das Wichtigste überhaupt sei, um ein gestecktes Ziel zu erreichen; um zu gewinnen.

Interessant ist, dass dies im Prinzip für alle beruflichen Erfolge gilt!

Disziplin ist wohl das Wichtigste – sofern entsprechende physische und psychische Grundvoraussetzungen gegeben sind.

Auch im Privatleben, zum Beispiel in der Ehe, schadet eine Portion Selbstdisziplin in der Art von, sagen wir, verbaler Zurückhaltung und Selbstbeherrschung eher nicht.

Immer wieder kommt es vor, dass ich überhaupt nicht sporteln möchte. Inzwischen habe ich mir allerdings auch diesbezüglich eine Art Disziplin antrainiert, die offenbar etwas stärker ist als mein innerer Schweinehund, der stets von einer "Habt acht"-stehenden Armee an Ausreden bewacht wird.

Ich raffe mich auf, fange einfach an, und wenn es einmal läuft, dann läuft es sowieso. Nicht selten freue ich mich sogar aufs Training! Ich würde es zwar nicht als Sucht bezeichnen, aber wer weiß, was da noch kommt.

Wird mir eine Trainingseinheit zu monoton, bedenke ich, dass das einfach dazu gehört und dass es vielen anderen Spitzensportlern auch so geht. Wenn ich beim Trainieren an etwas anderes denke und im Geiste z.B. ein neues, berufliches Projekt weiterentwickle, vergeht mir die Zeit schneller.

Und mir ist klar, dass sich der Wille, so ähnlich wie ein Muskel, trainieren lässt!

Auch von erfolgreichen Autoren etwa, weiß ich, dass sie oft überhaupt keine Lust haben, sich z.B. an einem, ins Freibad einladenden, Sommertag daheim hinzusetzen und stundenlang zu schreiben. Aber in solchen Phasen zwingen sie sich dazu.
An sie denke ich oft...


MEHR VON VUKITS


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